Prof. Dr. Karl Max Schneider (1887-1955)

Eine gemeinsame Web-Präsentation der Zoo-AG Bielefeld
und des Museums der Stadt Lichtenstein

Vor fünfzig Jahren war Karl Max Schneider der bekannteste Zoodirektor der DDR, beliebt bei Groß und Klein, eine wissenschaftliche Kapazität und Leipziger Institution, Nationalpreisträger, Vizepräsident des Internationalen Zoodirektorenverbands, und das als Deutscher wenige Jahre nach dem Krieg. Als Leiter einer Kommission beim Ministerium für Kultur förderte er die Entwicklung der Tiergärten in ganz Ostdeutschland.

Das alles wurde dem Sohn eines kleinen Kaufmanns nicht in die Wiege gelegt. Karl Max Schneider kam am 13. März 1887 in Callnberg, einem heutigen Ortsteil von Lichtenstein, zur Welt. Schneider hatte sechs Geschwister, die er alle überlebte. Bis 1901 besuchte er die Volksschule in Callnberg und wurde dann von seinen Eltern auf das Fürstlich-Schönburgische Lehrerseminar zu Waldenburg geschickt. Anderthalb Jahre lang unterrichtete er tatsächlich als Hilfslehrer in Meerane. Im April 1910 aber immatrikulierte er sich im Fach Pädagogik an der Leipziger Universität. Pädagogik, Volksbildung, wissenschaftliche Aufklärung der Jugend blieb Schneiders Anliegen ein Leben lang.

Die umfassenden Interessen des Studenten zeigen sich im Gang der Ausbildung. Ab 1912 belegte er Philosophie und stellte im Dezember 1913 seine Doktorarbeit fertig: "Die erkenntnistheoretischen Grundlagen in Rickerts Lehre von der Transzendenz”. Zoologischen Unterricht erhielt er unter anderem bei dem Tiefseeforscher Chun.

Ab August 1914 nahm Karl Max Schneider als Soldat am ersten Weltkrieg teil. Im Oktober 1915 ereilte ihn eine schwere Verwundung, die zur Beinamputation führte. Er war damals gerade 28 Jahre alt.

Aufgrund der Kriegswirren wurde Schneider erst im Juni 1918 promoviert. "Seine starke philosophische Durchbildung ist ihm nie als Umweg zu seinem späteren Berufe erschienen”, schrieb Heinrich Dathe in einem Nachruf auf seinen Lehrer, "nein, im Gegenteil, er war sogar der Meinung, dass jeder Student nicht nur in Philosophie unterrichtet, sondern sogar geprüft werden müsste.”

Nach dem Krieg gewannen die naturwissenschaftlichen Interessen die Oberhand. Schneider wechselte als Assistent zum renommierten Zoologischen Institut der Universität Frankfurt am Main. 1919 kehrte er nach Leipzig zurück und wurde Volontärassistent am Psychologischen Institut. Mit Studien zur Tierseele und zur Rückwirkung von Tieren auf die menschliche Umgebung befasste er sich auch später immer wieder. In das Jahr 1920 datiert der Arbeitsbeginn Karl Max Schneiders als Assistent des Leipziger Zoodirektors Johannes Gebbing. 1934 folgte er Gebbing im Amte.

Schneider wurde der dritte Direktor des Zoos, den der Gastwirt Ernst Pinkert am Pfingstsonntag 1878 auf der Schafwiese am Fettviehhof, wo Pleiße und Parthe zusammenfließen, eröffnet hatte. Schon seit Beginn des Studiums in Leipzig war Schneider dem Zoo verbunden. Ab 1913 berichtete er für die "Leipziger Volkszeitung” regelmäßig über den Garten. Seit den zwanziger Jahren erschienen seine wissenschaftlichen Publikationen, in denen er sich häufig mit der Leipziger Löwenzucht befasste. Die "Löwenfabrik” war schon damals weltberühmt. Zu Schneiders bleibenden Verdiensten zählt es, ihren Ruhm erhalten und vermehrt zu haben. Im ersten Jahr von Schneiders Direktorat, am 19. Februar 1936, kam der tausendste Leipziger Löwe zur Welt. Der Zoo exportierte Großkatzen selbst nach Afrika.

Prof. Dr. Karl Max Schneider mit zwei einen Monat alten Löwenjungen, 1951

Prof. Dr. Karl Max Schneider in seinem Arbeitszimmer im Leipziger Zoo

Die Publikumswirksamkeit des Zoos verlor Schneider bei alledem nicht aus den Augen. Im Mai 1932 wurde auf seine Initiative hin ein Tierkinderkarten im Zoo eröffnet. 1935 kam ein Streichelzoo dazu, 1938 der Robbenfelsen. Im gleichen Jahr begannen regelmäßige Vorträge im Freundeskreis der "Zoogemeinde”.

Der zweite Weltkrieg aber riss kurz darauf tiefe Wunden in den Gebäude- und Tierbestand des Leipziger Parks. Alliierte Bomber zerstörten die Anlagen zum Teil mehrfach. Bei einem einzigen Angriff im Juli 1944 wurden sechzig Großtiere von Splitterbomben getroffen.

Im April und Mai 1945 blieb der Zoo für einige Tage geschlossen – dann machte Schneider sich mit seinem Stab ans Aufbauwerk. Es war ihm noch vergönnt, einige Früchte seiner Arbeit reifen zu sehen: Die Löwenzucht knüpfte an frühere Erfolge an, der Zoo konnte 1950 und 1954 zum dritten und zum vierten Mal im Umfang erweitert werden. Die Anerkennung der Fachwelt und der Menschen nahm zunehmend auch offizielle Formen an: 1952 wurde Schneider zu seinem 65. Geburtstag öffentlich beglückwünscht. Die Deutsche Akademie der Naturforscher (Leopoldina) in Halle nahm ihn als Mitglied auf. Aufgrund seines hohen Ansehens in aller Welt übertrug ihm der Internationale Verband der Zoodirektoren im September 1952 in Rom die Vizepräsidentschaft. 1953 wählten ihn die deutschen Zoodirektoren zu ihrem Verbandspräsidenten.

Ein Problem bereitete ihm Kopfzerbrechen. Seit 1938 hatte Karl Max Schneider den Zootierwärtern Unterricht erteilt. Ab Februar 1949 erhielten sie Facharbeiterlohn, galten aber weiterhin als Ungelernte. Ein Übelstand, den Schneider vehement bekämpfte. Im Juni 1955 endlich, wenige Monate vor seinem Tod, wurde "Zootierpfleger” als Fach- und Lehrberuf anerkannt.

Am 6. Oktober 1953 wurde Karl Max Schneider mit dem Nationalpreis der DDR geehrt – eine Auszeichnung, die ihn zutiefst berührte, wie Ingeborg von Einsiedel erzählte. 1954 erhielt er auch den Vaterländischen Verdienstorden in Silber. Im Juli 1955 wurde Schneider zum Ehrenbürger der Stadt Leipzig ernannt.

Im September jenes Jahres musste Karl Max Schneider eine Tagungsreise des Internationalen Zoodirektorenverbandes in Basel abbrechen. Ein Schlaganfall hatte den Rastlosen ereilt. Er starb am 26. Oktober 1955. In der Stadt seines Wirkens erhielt er ein Ehrenbegräbnis. Zum Ruhme seines Wirkens steht bis heute der Leipziger Zoo unter den Tiergärten weltweit an prominenter Stelle.

DIE PROF.-DR.-MAX-SCHNEIDER-STIFTUNG

1995 übergab Ingeborg von Einsiedel den Nachlass von Prof. Schneider an den Förderver-ein des Lichtensteiner Gymnasiums. Das Gymnasium trägt seit 1956 Karl Max Schneiders Namen.
1997 wurde die Prof.-Dr.-Max-Schneider-Stiftung  errichtet.
Das Stiftungsvermögen besteht aus dem finanziellen Nachlass Schneiders und kann durch Zuwendungen des Fördervereins oder Dritter aufgestockt werden.
Die Stiftung wird von einem Stiftungsvorstand, dessen Vorsitzender Prof. Dr. Frieder Bigl (Universität Leipzig) ist, gesetzlich vertreten und von einem Stiftungsrat unter dem Vorsitz von Horst A. Paternoga (Frankfurt/M.) und Peter Müller (Zoologischer Direktor des Leipziger Zoos) verwaltet.

Die Stiftung verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke mit dem Ziel, den Nachlass von Prof. Dr. Max Schneider für die Volksbildung und Wissenschaft aufzubereiten und nutzbar zu machen sowie das Leben und Werk von Prof. Dr. Max Schneider und Frau von Einsiedel zu würdigen.
Durch die Stiftung wird jährlich ein Max-Schneider-Preis auf naturwissenschaftlichem Gebiet, insbesondere Biologie, sowie ein Ingeborg-von-Einsiedel-Preis auf sprachlichem, literarischem und künstlerischem Gebiet ausgelobt.

Tagung in Kopenhagen, 1954 (von links nach rechts: Prof. Dr. Karl Max Schneider, Shelly, Müller, Dr. Wilhelm Windecker)

ERINNERUNGEN AN KARL MAX SCHNEIDER IM STADTMUSEUM LICHTENSTEIN

Ein Raum des städtischen Museums erinnert an Karl Max Schneider. Sein Arbeitszimmer, zahlreiche von ihm untersuchte Schädel von Tieren des Leipziger Zoos sowie Arbeitsinstrumentarium und persönliche Gegenstände sowie Tiergrafiken aus seiner Sammlung befinden sich dort. Wer Zeit hat, kann sich ein Buch Schneiders auswählen und in seinen Tiergeschichten lesen.
Jährlich veranstaltet das Museum drei Vorträge, die sich mit zoologischen und zoogeschichtlichen Themen befassen.
Der wissenschaftliche Nachlass wird z.Z. im Museum aufgearbeitet und kann nach Voranmeldung eingesehen werden.


Vortrag im Rahmen der Karl-Max-Schneider-Vorträge
2. April 2009 - 12. Karl-Max-Schneider-Vortrag Vom „Mistkratzer“ zum „Öffentlich­keitsarbeiter“ – Der Beruf des Tierpfle­gers im Wandel der Zeit Es spricht Michael Ernst, leitender Tierpfleger, Zoo Leipzig Aula des Gymnasiums, Lichtenstein, Lutherplatz 3 Beginn: 19.00 Uhr (Donnerstag)
In Zusammenarbeit mit der Stiftung im Gymnasium. Mit diesem Vortrag wird auch an Schneiders Verdienste erinnert, die er sich um die 1955 erfolgte Anerkennung des Berufsbildes „Zootierpfleger“ als Fach- und Lehrberuf erwarb.



Mittendrin im Pongoland - Die Arbeit mit Menschenaffen am Zoo Leipzig
10. Lichtensteiner Karl-Max-Schneider-Vortrag
Am 16. März 2006 laden das Museum der Stadt Lichtenstein und die Karl-Max-Schneider-Stiftung zum 10. Lichtensteiner Karl-Max-Schneider-Vortrag in das städtische Gymnasium am Lutherplatz 3 ein. Der Vortrag findet 19 Uhr in der Aula des Gymnasiums statt.
Frau Dr. Juliane Kaminski vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig spricht über ihre Arbeit mit Schimpansen, Gorillas, Bonobos und Orang-Utans am Leipziger Zoo. Dafür begibt sie sich unter die Menschenaffen, ist also mittendrin im Pongoland, in das die Besucher nur von außen blicken können. Und von dort hat sie natürlich umfangreiches Bildmaterial mitgebracht.
Dr. Kaminski kennt sich aber nicht nur hinter den Kulissen des Zoos aus. Schon als Biologie-studentin arbeitete sie als Zoolotse, ging auf die Fragen der Besucher ein und machte auf Besonderheiten der Tiere aufmerksam. Später begann sie am Max-Planck-Institut zu arbei-ten. Dort ist sie heute in der Abteilung Entwicklungspsychologie und vergleichende Psycho-logie tätig.
Der Eintritt zu dem Vortrag ist frei.


Presse-Info März 2004::
Lichtenstein: Der Jungfernkranich empfängt die Besucher
Museumsleiterin Anne-Sophie Günther hat für die am Mittwochabend beginnende Sonderausstellung im Dachgeschoss des Stadtmuseums einen Titel gewählt, der nicht unbedingt jedem den Inhalt verrät: „Gaukleradler, Jungfernkranich, Paradieswitwe“.
Konkret sind es Vogeldarstellungen aus der Grafiksammlung von Karl Max Schneider, dem aus Lichtenstein stammenden und 1955 verstorbenen Leipziger Zoodirektor. Schneider sammelte Grafiken verschiedenster Techniken, insbesondere Tiergrafiken.
Sein allgemeines Interesse für Kunst entstammte wohl auch seiner Gastdozententätigkeit an der Hochschule für Grafik, wo er Tieranatomie und Tierverhalten unterrichtete und die ihm zahlreiche Kontakte zu Künstlern einbrachte.
Mittwochabend (31.3.04) wird die Sonderausstellung mit dem 8. Lichtensteiner Max-Schneider-Vortrag, einer gemeinsamen Veranstaltung von Schneiderstiftung und Museum, eröffnet. Jörg Junold, seit 1997 Geschäftsführer im Leipziger Zoo und seit der Pensionierung Peter Müllers auch Zoologischer Direktor, wird unter dem Titel „Von der Leipziger Löwenfabrik zum Entdeckerhaus ,Arche’“ über Artenschutz und Bildung im Zoo Leipzig sprechen.

Eingerichtet im Juni 2003. Abbildungen und Texte zur Verfügung gestellt durch Fr. Günther, Leiterin des Museums der Stadt Lichtenstein. Webdesign und technische Umsetzung Zoo-AG Bielefeld / Dirk Petzold