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Dies
ist eine Archivseite mit dem inhaltlichen Stand von 1996
und wird nicht aktualisiert. Sie zeigt den damaligen
Stand der Zoos und bleibt als historisches Dokument
online. |
Exkursionsbericht
Zoo Wuppertal
4. Februar 1996, Führung durch Herrn Dir. Schürer
Führungen für die Sonntags-Exkursionen der ZooAG sind
Sache des Wochenenddienstes; wenn dieses Los den Direktor
persönlich trifft, kann uns das nur recht sein.
Dankenswerterweise nahm sich Dr. Schürer fast drei Stunden Zeit,
um uns vom Ententeich bis zum Elefantenhaus einen großen Teil
des Zoos zu zeigen.
Wasservogelsee:
Spezialisierung auf Eismeerarten wird erst möglich durch
fließendes, sauberes und kaltes Wasser sowie vollbetonierte
Teiche, die regelmäßig gereinigt werden können. Große Gefahr für
Wassergeflügel geht von Botulismuserregern aus, die sich in
toten Tieren auf dem Gewässerboden entwickeln. Kragen- und
verschiedene Eiderentenarten lassen sich erst züchten, seit
statt adulter Tiere Eier importiert wurden. Die sehr seltenen
europäischen Weißkopfruderenten werden hier seit langem zusammen
mit den amerikanischen Schwarzkopfruderenten gehalten, ohne daß
die Tiere bastardisierten, wie von entwichenen Tieren in
Griechenland behauptet wird. Die Schwäne von der Südhalbkugel
brüten nicht etwa deshalb im Winter, weil sie sich nicht auf die
veränderten Jahreszeiten umstellen können, sondern weil sie
Kurztagsbrüter sind, womit sich in ihrer Heimat Regen und damit
Futter für die Jungen ankündigt.
Die alte Elefantenanlage wird provisorisch für die
Haltung von Tapiren hergerichtet, für den Komplettumbau zum
Südamerikahaus für 3 Mill. DM fehlen vorerst die Mittel.
Allerdings leben im Haus nun Babirusas und Okapis.
Seelöwenanlage:
Keinerlei Aufzuchtprobleme mehr, seit die Weibchen mit den
Jungen in der Gruppe bleiben und die Jungtiere sofort ins Wasser
gehen können. Da die Tiere einen Postpartum-Östrus haben, sind
die Weibchen sonst sehr unruhig während der ersten Tage nach der
Geburt. Es gibt keine Probleme, die Jungtiere loszuwerden, da
Seelöwen noch immer sehr begehrt in den Zoos sind. Zwei der
letztjährigen Tiere werden nach Lissabon gehen.
Eisbären:
Haupthema war Stereotypien; nach Dr. Schürer kein Problem,
solange sich die Tiere nicht verletzen (Fell aufscheuern usw.)
und es nicht krankhaft wird (was man daran sehen soll, daß die
Tiere jederzeit z.B. durch Futter aus der Bewegung gelöst werden
können). Hauptsächlich entstünden Stereotypien durch zuviele
Tiere auf der Anlage, da sich die Tiere den Platz aufteilen.
Eine natürlichere Gestaltung des Geheges sei auf der vorhandenen
Fläche nicht möglich, Grasbewuchs z.B. würde durch das Wasser
aus dem Fell der Tiere nur mit sehr guter Drainage möglich sein
(Schürer wies auf das zentimeterdicke Eis auf den Bärenfelsen).
Die Frage nach Klettermöglichkeiten wies er mit "Eisbären
brauchen keine Bäume" kurz angebunden zurück.
Nachtrag 2019: Die
damalige schroffe Zurückweisung der kritischen Nachfragen
einiger unserer jüngeren Mitglieder über die grundsätzliche
Frage, ob die erst ein Jahr alte "neue" Eisbärenanlage in dieser
Größe überhaupt tiergerecht sei, hat nach 23 Jahren nun der
Nachfolger im Amt des Zoodirektors, Dr. Lawrenz, eindeutig
beantwortet: "Die 1995 gebaute Eisbärenanlage
entspreche nicht mehr den heutigen Standards und sei viel zu
klein." (WDR, Januar 2019). Die Eisbärhaltung
wird aufgegeben und der (ebenfalls 1995 renovierten und nun
nicht mehr zeitgemäßen) Seelöwenanlage zugeschlagen.
Nach einem prüfenden Blick auf uns neun ("Ihr seid ja
eine recht ruhige Gruppe") entschloß sich Dr. Schürer, uns mit
in das Eisbärenhaus zu nehmen, wo das zweite Weibchen mit einem
Jungtier vom 15.10 abgesperrt ist. Dieses Weibchen ist sehr
vertraut und wenig störungsempfindlich. Während er die Tiere mit
Karotten fütterte und das Jungtier immer mutiger und neugieriger
wurde, erklärte er das Haltungs- und Zuchtkonzept: Das Männchen
ist jeweils ein Jahr mit einem der Weibchen zusammen, während
das andere jeweils Jungtiere aufzieht. Allerdings ist das andere
Weibchen wohl noch zu jung und wirft nicht.
Steinbockfelsen:
Der historische Felsen (1910) hat sich bewährt, obgleich es
regelmäßig zu Abstürzen kommt, vor allem nach Eisregen.
Biber:
Die Fortpflanzung der Tiere soll etwas gebremst werden, da sie
kaum noch abzusetzen sind. Die dicken Baumstämme an der Rückwand
sollten eigentlich demonstrieren, welche Baumarten Biber
bevorzugen, aber auf Dauer werden auch Harthölzer angefressen
und jetzt im Winter Nadelhölzer bevorzugt (soll heißen:
Weihnachtsbäume). Die Zähne können sogar den Glasscheiben
schaden. Im Herbst beginnen die Tiere, unter den vorstehenden
Betonplatten des Wasserteils Astlager anzulegen.
Dammbau-Aktivität findet nicht an den Stellen statt, wo das
Wasser tatsächlich abfließt, sondern da, wo das Geräusch zu
hören ist - bis vor einiger Zeit in einer Ecke der
Betonumrandung. Da ein richtiger Damm nur entstehen kann, wenn
die Tiere Wasserbecken mit Bodengrund und Laubschicht zur
Verfügung haben, würde Dr. Schürer eine neue Anlage mit
vierteiligem Wasserbecken planen: Das Oberste mit dem
Unterwassereingang zum Innenraum und einer
Unterwasser-Sichtmöglichkeit, die Mittleren mit Naturboden, der
das Wasser trüben würde. Zwischen diesen Becken soll der Damm
gebaut werden. Das unterste Becken könnte sehr klein sein und
den TIeren als Latrine dienen, denn Biber koten stets in den
tiefstgelegenen Teil der Wasserbecken.
Kolibrihalle: In der Tropenhalle herschen 11 Stunden Tag,
die durch die zentral angebrachten Flutlichtstrahler je nach
äußeren Lichtbedingungen genau geregelt werden können. Nachts
brennen Orientierungslampen. Die gut isolierte Halle wird von
innenliegenden Lärchenholz-Leimbindern getragen, die einzige
Holzart, die bis zu 70% Luftfeuchte dauerhaft verträgt. Dennoch
müssen nach drei Jahren bereits Teile des Besuchersteges
erneuert werden. Auch die Bepflanzung ist sehr schwierig und muß
ständig gepflegt werden. Für die Kolibris werden Trinkröhrchen
verschieden starker Zuckerlösungen angebracht, damit die
dominanteren Tiere die weniger ergiebigen Röhrchen den anderen
Tieren überlassen. Die höher konzentrieren Löungen werden in die
Nähe des Besucherweges gehängt. Bruten gab es noch nicht, da die
Nester immer zerstört wurden - wohl eine Folge von
Nistmaterial-Klau. Ebenfalls in der Halle leben jetzt die
kleinen Breitschnabel-Todis, die der Zoo als weltweit einziger
zeigt. Die drei Tiere sind mit etwa 14 Jahren aber wohl längst
zu alt zum Brüten. Welterstzucht hingegen gab es bei den
Elfenblauvögeln, die in Zoos eigentlich recht häufig gehalten
werden. Dr. Schürer erklärte das so: Die Tiere werden an den
Balzplätzen gefangen, so daß hauptsächlich Männchen gefangen
werden; sind auch einmal Weibchen dabei, wurden sie als die
kleineren und unscheinbareren Tiere selten erworben. Zudem
müssen die Männchen während der Brut abgesperrt werden.
Südamerikawiese:
Die Bisons schädigten den Hang durch Tritterosion so stark, daß
der Tierbesatz schließlich doch geändert werden mußte. In den
Gehegen oberhalb sind mit Kiang und Takin zwei weitere
Kostbarkeiten zu sehen.
Wölfe
: Die Tiere reagieren heulend auf Polizeisirenen, was Dr.
Schürer zu der Überlegung veranlaßte, ob der Warnton nicht
unbewußt so gewählt wurde, daß er dem Geheul eines früheren
Raubfeindes ähnelte. Das Gehege ist zu klein, erst recht für die
1,5 Tiere, von denen demnächst 4 abgegeben werden.
Der eigentliche Schwerpunkt der Exkursion sollte aber
das neue
Elefantenhaus
sein. Ausführliche Baubeschreibungen sind ja in Sonderdrucken
und Berichten reichlich erschienen, daher hier nur die
Schwerpunkte Schürers und unsere Eindrücke:
Unter dem gut isolierten Grasdach wirkt die Halle sehr
licht und weit, wenn auch große Teile durch den sehr breiten
Graben ("hätte auch 50 cm schmaler sein können, aber wir wollten
sichergehen") verlorengehen. Die massiven Stukturen der Mauern,
Gitter und Holzträger erdrücken den Raum zusätzlich.
Erstaunlicherweise wirkt die Anlage wesentlich größer, wenn man
sie aus einer der Einzelboxen betrachtet - wahrscheinlich
verkürzt der flach ansteigende Graben die Distanz
perspektivisch.
Der Boden besteht aus Stahlbeton, der mit demselben
Material beschichtet ist, das in anderen Zoos in rötlichen
Rasterplatten verlegt ist und die Abnutzung der Hornschichten an
den Fußsohlen der Tiere unterstützt. Schräge Gitterstäbe wurden
nur an den hinteren Schiebetüren eingebaut, weil sie
Quetschungen weitgehend ausschließen und für die Tierpfleger
leichter zu überwinden seien. Die Gefahr, die Stoßzähne
abzubrechen, sei nicht so wichtig, zumal sich immer eine Ecke
fände, an denen die Tiere die Zähne abbrechen könnten. Mit
Stoßzahnschutz wird hingegen begründet, warum keine
Schaukelseile installiert wurden: Daran würden die Tiere sich
die Zähne durchscheuern. Die Folge sind allerdings unglaublich
massive Edelstahlgitter im ganzen Haus. Das Innnen-Badebecken
ist mit 1,8 mTiefe und 50 m³ groß genug für mehrere Tiere,
hingegen ist das 1-m-Becken außen eine "Pfütze" (wohl ein
Seitenhieb auf andere Neubauten, die Innen noch weniger
haben...). Zur Beobachtung im Bullenstall dienen an U-Boote
erinnernde Bullaugen (daher das Wort?), hier sind die Stahltüren
noch massiver und im Gegensatz zum Hauptstall elektrisch
betrieben. Die Böden der Boxen sind beheizt, dazu kommt eine
dicke Lage Stroh. Im Boden sind versenkbare Ankettringe
eingelassen; das Anketten wird auch hier regelmäßig dressiert.
Durch Löcher in der Betonwand können die Tiere aus vergitterten
Automatiktränken trinken.
Das Bullen-Außengehege ist noch in Bau, aber wird auch
noch lange nicht dringend gebraucht: Bis die jetzt dreijährigen
Bullen geschlechtsreif sind, müssen sie mindestens dreimal so
alt werden. Bis dahin muß auch zwischen Bullenstall und
Badebecken noch eine Absperrung (aus Baumstämmen) eingebaut
werden. Der zweite Bulle ist schon an einen anderen Zoo
versprochen (Spekulation: Dresden?). Das indische Weibchen macht
seine Sache als Tante sehr gut und wird im Zoo bleiben. Die
Tiere werden ganztägig in der Halle gefüttert und so
beschäftigt, nachts in die runden Einzelboxen gebracht, die aber
so im Halbkreis angeordnet sind, daß sich alle Tiere sehen
können und Kontakt zu den Nachbarn aufnehmen können. Uns wurde
ausdrücklich bestätigt, daß beim Bau dieses 13-Mill-DM-Objektes
keinerlei Abstriche gemacht werden mußten.
Nach Besichtigung der Tierpflegebereiche (5
Tierpfleger ausschließlich für Elefanten; "denen kann man die
Pflege anderer Arten nicht zumuten" und des
14-Tage-Vorrats-Heulagers war die Zeit gekommen, uns bei Dr.
Schürer für die sehr ausführlichen Erläuterungen zu bedanken und
uns zu verabschieden.
Im
Kleinen Affenhaus wurden Bärenmakak und Weißkopfmaki
durch Rote Varis ersetzt, wirkliche Veränderungen ga es aber
erst bei den Menschenaffen: Durch Verzicht auf die erste
Oranggruppe wurde Platz für ein Dreiergehege Gorillas
geschaffen, während die Bonobos, jetzt ebenfalls fünf Tiere,
deren frühere Anlage bewohnen. Vielleicht liegt es sogar an der
vergrößerten Anlage, daß die "Weite" auch einen Eindruck von
Kargheit hinterläßt. Die Einrichtungsgegenstände sind jedenfalls
spärlich gesät, vor allem bei den Orangs, wo der Gitterboden das
Einbringen von Steu und Kleinfutter weitgehend verhindert.
Kleines
Raubtierhaus: Unerwartet tauchte ein Unikum von einem
Tierpfleger auf und überschüttete uns mit unterhaltsamen
Anekdoten über furiose Kleinkatzen-Persönlichkeiten,
tigerskalpierte Lehrlinge, von Rindern gebändigten Löwen und der
Tatsache, daß Goldkatzen so heißen, weil sie ihre Gehege mit
Urin vergolden. Neu seit 1992 sind Oncillen und
Schwarzfußkatzen.
Bis
wir am Aquarium angelangt waren, war es bereits
geschlossen. Zum Glück kam in diesem Moment Dr. Schürer aus dem
Wirtschaftshof und ließ uns freundlicherweise noch für einige
Minuten hinein: Die großen Korallenfische von bis zu 15 Jahren
Alter sind sehr aggressiv, so daß die Zusammensetzung der Arten
in einem Becken genau abgestimmt werden muß. Am Eingang steht
ein Süßwasser-Aquarium mit einer fernsteuerbaren Makrokamera,
deren Bild auf einen Monitor übertragen wird.
(c) Dirk
Petzold 96
Erstellt
und zuletzt geändert am 10.3.1997, Nachtrag 2019 - Zoo-AG Homepage  |