Zoo-AG

Anmerkungen




Dies ist eine Archivseite mit dem inhaltlichen Stand von 1999 und wird nicht aktualisiert. Sie zeigt den damaligen Stand der Zoos und bleibt als historisches Dokument online.

Exkursion Zoo Dortmund

6. Februar 1999, 38. Exkursion, Führung durch Fr. Dr. Osmann

Den, um es vorwegzunehmen, einzigen schlechten Eindruck gab es am Eingang. Hier steht jetzt unübersehbar-aufdringlich ausgerechnet ein Computer-Terminal mit - nein, nicht mit Informationen über Zoo, Tiere, Natur- und Artenschutz; Vorschläge dieser Art hat der Zoo mehrfach verworfen - sondern ausgerechnet mit astrologischen Biorhythmus- und Partnervergleichen. Nicht eben das, was man von einer wissenschaftlichen Institution erwarten könnte. Hoffentlich werden diese Informationen nicht in ISIS eingespeist - ach so, die Gefahr besteht ja gar nicht, der Zoo ist da schließlich nicht Mitglied.

Ansonsten war der Zoo-Besuch eigentlich nur durch die immer wieder unvermittet einsetztenden Schneeschauer getrübt, die natürlich immer dann einsetzten, wenn wir gerade ein Tierhaus verlassen hatten. So sah das ungefähr aus...

Die heimischen Vögel, vor allem die Rauhfußhühner, mußten einer weiteren Verschiebung des Tierbestandes in Richtung südamerikanische Tierwelt weichen. Hier leben jetzt Hokkos und neue Greife, von denen leider viele mangels beheizbaren Unterkünften gar nicht zu sehen sind: sie sind im Winterquartier. Auch die Biber wurden durch Nutrias ersetzt.

Dortmund Affenkäfige

Foto: Orang-Käfige

Der letzte Orang-Utan in seiner nicht mehr zeitgemäßen Unterkunft wartet auf die Entscheidung, an gleicher Stelle ein neues Menschenaffenhaus zu bauen. Dieses soll dann auch das benachbarte Gehege der Bisons und Tarpane umfassen, die der Zoo wiederum gerne im Wald hinter der jetzigen Sitatunga-Anlage unterbringen möchte. Diesem Erweiterungsgelände, immerhin 12 Hektar, steht allerdings noch eine Bürgerinitiative entgegen.

Im Amazonashaus bekamen wir zunächst den Tierpflegebereich hinter den Aquarien geboten. Außer den Filtern und Pumpen finden sich hier viele kleine und größere Käfige und Terrarien mit Nachzuchttieren, so auch einigen Anakondas. Diese Tiere wurden in der Halle eingefangen, nachdem sie sich nach ihrem Schlupf selbständig gemacht hatten und von der etwas kostspieligen Diät aus tropischen Vögeln tüchtig gewachsen waren. Eigentlich waren sie einem französischen Zoo versprochen, doch nachdem eine Virusinfektion alle Riesenschlangen im Schaubereich dahingerafft hatte, sollen sie nun in die gerade renovierte Großanlage umziehen. Erlaubterweise frei in der Tropenhalle halten sich noch immer die Trompetervögel und die Faultiere auf. Die Greifstachler ("Knollennasen" - wir stellten fest, daß unsere Bezeichnung auch im Zoo Verwendung findet!) mußten wegen angefressenen Leitungen abgesperrt werden. Ein Tierpfleger ermöglichte uns, eine ziemlich ungehaltene, weil festgehaltene Boa anzufassen. Noch beeindruckender war aber die wohl größte Agakröte in einem Zoo (Kopfrumpflänge über 20 cm!), die sich eindrucksvoll aufblies, aber die Herausnehm-und-Vorzeige-Prozedur bereits kannte, denn sie bemühte ihre dicken Giftdrüsen nicht. Die Riesenvogelspinne lebt nun in einem verglasten Baumstamm.

Die Mohrenagutis sind nicht nur in Dortmund, sondern offensichtlich in allen anderen Zoos auch ausgestorben; eine Anfrage des Zoos blieb ergebnislos.

Nun ging es um die ziemlich verwaisten Südamerika-Gemeinschafts- Anlagen herum (die Tiere waren wegen der Witterung innen eingesperrt), aber Frau Osmann schilderte uns so plastisch die gegenseitigen Beziehungen der unterschiedlichen Bewohner, daß die Pampa vor unseren Augen zum Leben erwachte: Der Ameisenbär, der den Tapiren die Ohren säubert und versucht, an den Zitzen Milch zu lecken; die Pekaris, die es immer mal wieder auf fremde Jungtiere abgesehen haben; die zeitweise aggressiven Nandus, die die Guanakos auf der Anlage herumjagen.

Dortmund Riesenotteranlage

Foto: Riesenotter-Außenanlage

Besonders gespannt waren wir auf die Anlage der Riesenotter und deren neues Haus; beides kannten wir noch nicht. Doch, natürlich, die Außenanlage ist im Winter eingemottet, hinter den 2 m Panzerglas liegt das große Wasserbecken vor der Tuffsteinmauer trocken. Das Haus war gesperrt, und zwar wegen eines erfreulichen Anlasses: Erstmals zieht in Dortmund das Weibchen ein Jungtier selbst auf; bisher waren sowohl natürliche wie künstliche Aufzucht gescheitert. Nur zwei vertraute Tierpfleger dürfen das Haus betreten. So mußten wir auf die Otter, ihre mit Unterwasserscheiben ausgestattete Innenanlage und die gegenüberliegende Zwergotteranlage verzichten, die noch dieses Jahr auch eine Außenanlage bekommen soll.

Seit einigen Jahren besitzt der Zoo zwei junge Spitzmaulnashörner aus Zürich, eigentlich noch zu jung für Fortpflanzungsaktivitäten, doch der Bulle wurde bereits beim Decken beobachtet. Zur Zeit ist das Weibchen ihm gegenüber sehr aggressiv und jagt es durch die Anlage. Die zeigt auch, wie dringend der Umbau des Grabens mit seinem gefährlichen U-Profil ist, der spätestens beim ersten Jungtier erfolgt sein muß.

Eine lange Zeit verbrachten wir im Ameisenbär-Haus, wo wir alles Erdenkliche über Zucht und Haltung der heiklen Tiere erfuhren. Von der Zufütterung von Torf, der die mit der natürlichen Nahrung aufgenommene Erde ersetzt, ihrer fast ausschließlichen geruchlichen Orientierung bis zu jenem Weibchen, das vermutlich einmal ein Trauma durch ein festgekralltes Männchen erlitt und nun auch die eigenen Jungtiere nicht mehr auf dem Rücken duldet. Die Folge davon sollten wir noch zu sehen bekommen...

Das Jaguarweibchen, mit Jungtier abgesperrt, bracht uns auf das Problem der Geburtenverhütung im Zoo. Die eigentlich "biologischste" Lösung, den Tieren die so erfüllende Jungtieraufzucht und damit einen wesentlichen Teil ihres Verhaltensspektrums zu gestatten und später die "natürliche Selektion" zu übernehmen, behagt der Tierärztin verständlicherweise wenig. Schließlich wäre sie es dann, die völlig gesunde Tiere "abtun" müßte, was nicht nur dem Verständnis eines Tierarztes widerspricht und natürlich auch Emotionen gegenüber den anvertrauten und bekannten Tieren weckt, sondern auch der Öffentlichkeit schwer zu vermitteln wäre. Die bisher angewendeten Hormonspritzen oder Implantate sind noch immer zu risikoreich, versagen oft, verursachen Verhaltensänderungen und die Tiere können später oft nicht wieder gebären. Zur Zeit wird mit Vakzinen experimentiert, die die tiereigene Körperabwehr gegen eine Zygote mobilisieren.

Im eigentlich schon geschlossenen Giraffenhaus konnten wir die acht Angola-Giraffen bewundern, darunter zwei Jungtiere und der prächtige Bulle. Außer noch in Lissabon wird diese stark bedrohte Unterart aus Namibia nirgends gehalten. Gut zu sehen war auch der verheilte Bruch am Hinterbein eines Jungtieres (die Meldungen über das "Riesen-Gipsbein" raschelten weit überregional im Blätterwald); die Platten blieben damals im Bein und haben bisher das Wachstum nicht behindert.

Dortmund Ameisenbär-Baby 1

Foto: Fr. Dr. Osmann behandelt das Ameisenbär-Baby

Viel zu schnell war der Nachmittag vorbei (die zwei eingeplanten Stunden von Frau Osmann ohnehin schon längst), doch das Bedauern über die noch nicht gesehenen Parkteile wurde bei weitem durch den eigentlichen Höhepunkt des Tages ausgeglichen: Der Besuch beim neuesten Ameisenbär-Jungtier, das handaufgezogen wird (da die Mutter es eben nicht reiten läßt, sondern vom Rücken kratzt). Das 32. (!) Jungtier war ziemlich aufgekratzt und wild entschlossen, dies auch den Armen der Tierpflegerin zuzufügen. Zwar sind junge Ameisenbären sehr umgänglich und anhänglich, aber sie haben vom ersten Tag an scharfe Krallen - und auf einen Tisch gesetzt und festgehalten zu werden behagte diesem Jungtier gar nicht. Im Gegensatz zu erwachsenen Tieren, die fast völlig stumm sind, stoßen protestierende Jungtiere einen lauten Schrei aus, der etwas an die rostig-schnarrenden Trompetenrufe balzender Kraniche erinnert.

Das gibt es nun hier auch auf Video! Inklusive Schrei!

Dortmund Ameisenbär-Baby 2

Foto: Das Ameisenbär-Baby hat sich auf dem Arm von Frau Dr. Osmann festgeklammert

Erst nach einiger Zeit ergab sich das Kerlchen in sein Schicksal und ließ dicke Milch aus einer Plastikspritze in den Schlund fließen, unterstützt durch die weit hervorzüngelnde, die meiste Zeit aber schlapp 10 cm aus der winzigen Maulöffnung hängenden Zunge. Nach drei Milchportionen war die folgende Blutentnahme und die Foto-Session schon von Müdigkeit überlagert, dann ging es zurück in den Brutkasten.

Dortmund Inkubator

Foto: Der Inkubator mit dem Ameisenbär-Baby

Auch der letzte leise Groll über die Kassiererin, die uns entgegen üblichen Gebarens Eintrittsgeld abgeknöpft hatte, verschwand, als wir zum Abschied noch großzügig mit Zooführer und einem Stapel Prospekten und Aufklebern bedacht wurden. Trotz sehr kurzfristiger Terminumlegung (Fr. Osmann war dankenswerterweise für Ihre verhinderte Kollegin eingesprungen, hatte aber nur samstags statt wie geplant sonntags Zeit) und ziemlich bescheidenem Wetter (wir flüchteten mehrmals vor starken Schneeschauern in Tierhäuser) war für unsere etwas reduzierte Gruppe diese Exkursion ein voller Erfolg. Und nicht nur für die Otter werden wir wiederkommen.

Dortmund Pinguinanlage

Mitglieder der Zoo-AG vor der Pinguinanlage

Dortmund Schild

Ausführliche Beschilderung

An dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank an die Tierpfleger und Frau Dr. Osmann, Zootierärztin und stellvertretende Direktorin, die sich so viel Zeit für uns genommen haben!

© Text: Dirk Petzold, © Fotos: Michael Schleef


Diese Seite wurde erstellt am 1.3.1999 - Zoo-AG Homepage logoeule