 |
 |
|
Vorträge
Rainer Revers, Salzburg: In gewohnt
scharfsinnig-scharfzüngiger Weise analysierte der
Direktor des Hellbrunner Tiergartens den Scheidepunkt,
an dem Zoos heute stehen: Kommende EU-Regelungen und
neue wissenschaftliche Erkenntnisse drücken auf die
klassische Tierhaltung in Zoos, so Erkenntnisse über
natürliche Sozialstrukturen, aber auch die Ergebnisse
von Bewußtseinsforschung und Tierethik. Zunehmend
argumentiert Zookritik vor wissenschaftlichem
Hintergrund, und die Zoowelt hat sich in eine reaktive
Phase drängen lassen. Die wenigen Zoos, die wie der
Nürnberger sich offensiv und öffentlich den Problemen
stellen, verursachen deshalb zwangsläufig Probleme für
andere Zoos, die nun solche Fragen ebenfalls beantworten
müssen. Er erkennt zwei unterschiedliche
Entwicklungsschienen der Zoos: Die einen orientieren
sich am Freizeit- und Kommerz-Aspekt (Stichwort
Erlebniszoos), die anderen an Wissenschaft und
Artenschutz. Letzteren werden gerne wenig Chancen im
Wettbewerb gegeben. Doch Revers meint, sowohl
gesetzliche Anforderungen wie auch die öffentliche
Meinung sprächen für diese Richtung: Die Besucher
wünschen in Umfragen ausdrücklich nicht Action und
Events, sondern fordern Artenschutz, Forschung und
Bildung. Nur muß solche Arbeit auch vermittelt werden:
Zoos müssen die Öffentlichkeitsarbeit steigern, und zwar
vor allem auch außerhalb der Zoo-Mauern - bei
Akademikern und Politikern, also den
Enscheidungsträgern. Der Generationswechsel in den Zoos
vollzieht sich nur langsam, ebenso die Verabschiedung
vom Sammeln (z.B. eine statt drei Menschenaffenarten).
Fazit: Wir können uns das heutige Tempo nicht mehr
erlauben!
Zwei Nachfragen zweifelten die Aussagekraft der
Umfragen an: Einerseits sei kostenneutral gefragt
worden - bei der gewünschen Aufgabenverteilung ergäben
sich Eintrittspreise um 40 DM. Außerdem gäbe es meist
eine klare Differenz zwischen Kundenwünschen und
Kundenverhalten, man denke nur an Mehrweg-Verpackungen:
in allen Umfragen gewollt, aber gekauft wird nur, was
billig ist.
Eckard Wiesenthal: Der Gründer der
“Tiergartengestaltung” plädierte für viel mehr Mut zur Spezialisierung
von Zoos und zu deutlich weniger Tierarten, die
dafür intensiv erlebt werden können. Als Beispiel nannte
er Projekte wie einen Eulenpark mit nur sechs Arten oder
einen Affenpark mit fünf. Die Grundfrage ist: Wie
bekommt man Besucher, um als Zoo zu überleben? Das Tier
muß im Mittelpunkt stehen - Oase für einzelne Tierarten,
weniger ist mehr. Besucher wollen kein Multimedia, keine
Videos, keine Shows. Die Zukunft ist nicht der
Abenteuer-Event, sondern die ausführliche, auch
emotional ansprechende Vorstellung einzelner Arten in
ihrem ökologischen Gefüge. Wichtig ist auch, die
Tierpfleger wieder nach vorne zu holen, als wichtigstes
Bindeglied zwischen Tieren und Besuchern.
Sabine Hilsberg, künftig Zoo Frankfurt,
stellte ihre Doktorarbeit vor, in der sie ein breites
Spektrum von Anwendungsmöglichkeiten für IR-Thermographie
im Zoo fand: Mit Wärmebildern lassen sich Krankheiten
und Verletzungen sehr gezielt auch bei Wildtieren finden
(erhitzte Gliedmaßen, Entzündungen und Fellschäden), die
sonst alle Symptome verbergen. Trächtigkeiten sind ohne
Eingriffe zu erkennen. Neue Erkenntnisse ergeben sich
auch für Streßmessungen, Stoffwechsel- und
Thermoregulationsfragen; so geben Huftiere viel Wärme
über die Hufe ab, Hornträger nutzen dafür die
Knochenzapfen der Hörner. Besonders interessant ist der
Vergleich zwischen Haltungsbedingungen: Tiere, die an
kalten Tagen aus überheizten Ställen kommen, können ihre
Thermoregulation nicht anpassen; ein hohes Risiko für
Krankheiten. Umgekehrt können Tiere in Tropenhäusern
ohne ausreichende Abkühlungsmöglichkeit überhitzen -
wahrscheinlich Todesursache bei zwei Elefanten. Die
neue, noch sehr teure Technik ermöglicht somit auch die
Optimierung des Haltungsklimas.
Udo Gansloser zeigte Probleme beim
Management von Kleinsäuger-Populationen auf.
Damit griff er die Gedanken von der EAZA-Tagung
auf. Er warnte davor, sonst übliche Methoden wie die
Unterbrechung der Fortpflanzung bei zu großer Population
anzuwenden, da kurzlebige, “r-selektierte” Arten sehr
schnell Populationsüberalterung und -zusammenbrüche
zeigen können [das zeigte vor einiger Zeit das Beispiel
der Kowaris überdeutlich - hätten sich einige Züchter
nicht über den Zuchtstopp hinweggesetzt, wären sie
möglicherweise aus europäischen Ssmmlungen
verschwunden]. Er plädiert dafür, Selektionsfaktoren
zuzulassen, und warnte davor, aus Gründen gleichmäßiger
genetischer Repräsentation jedes Gründertier zur
Fortpflanzung zwingen zu wollen und andere Tiere mit
mehr “Fitness” deswegen von weiterer Fortpflanzung
auszuschließen. Das sei genetische Gleichmacherei durch
die Zuchtbuchführung. Wenn man Tierarten 200 Jahre im
Zoo erhalten will, blieben nur zwei Möglichkeiten:
Selektion oder Zufall. “Ein halbwegs denkfähiger Zoologe
muß professionell herangehen, und wenn nicht, Platz
machen für andere Leute”.
|
|
 |
 |
 |
 |
 |
 |
 |
 |
|
Roundtables
Im Vorjahr war u.a. auf Initiative von Mitgliedern
der Zoo-AG erstmals der Versuch gemacht worden,
das Plenum für einige Stunden in kleinere Arbeitskreise
aufzuteilen, in denen spezielle Fragestellungen
gemeinsam bearbeitet werden. Das hatte sich bewährt; nur
wußten die Veranstalter der Roundtables bis zum Schluß
nicht von den Themen der anderen; einer sogar nicht
einmal, daß er einen Roundtable leiten sollte. So kam
es, daß sich von vier Themen drei um die Planung neuer
Gehege drehten. Kurzentschlossen wurden daher die
Roundtable Kirsten/Zessin und Fiby/Petzold
zusammengelegt.
Der Roundtable Becker/Münchau machte
ein Planspiel, bei dem die Teilnehmer mit gleichen
Vorgaben einen Masterplan für das Vivaium Darmstadt
entwerfen sollten.
Der Roundtable Gansloser beschäftigte
sich wie sein Vortrag mit der Frage, ob die bestehenden,
theoriebasierten Verfahren der Zuchtbuchführung an die
Gegebenheiten in den Zoos und die natürlicherweise
vorkommende Selektion angepaßt werden müßten.
Da ich zwangläufig an beiden nicht teilnehmen
konnte, muß ich ein Fazit schuldig bleiben.
Anfang des Roundtable
Kirsten/Zessin/Fiby/Petzold bildete ein
Kurzvortrag von Monika Fiby als Vergleich zweier
unterschiedlicher Design-Philosophien für
Elefantengehege. Anschließend versuchte ich durch Dias
von Tiergehegen, bei denen jeweils ein Aspekt (Design,
Tierhaltung, Tierpflege usw.) offensichtlich
vernachlässigt oder nachgebessert wurde, die Diskussion
anzuregen, was auch gut funktionierte: schon nach
wenigen Bildern entspann sich eine intensive Diskussion
um die Frage, wie Planung solche Fehler vermeiden kann
und inwieweit realistische Immersionsgehege machbar,
sinnvoll oder überhaupt gewünscht sind. Direkt daran
schloß sich die Diskussion um die mehrstufige
Planungsmethode des Zoo Schwerin mittels
Ideenfindungsseminaren an, nochmals erläutert und
verteidigt von Frank Kirsten und Wolfgang Zessin, die
auch klarmachten, daß durch den Einfluß anderer
Meinungen sogar Ideen der Direktion wie
Artenschutz-Aspekte letzlich wegfallen können. Monika
Fiby ergänzte die Diskussion um die Methode des Zoo
Atlanta, in dem bei der Planung Rollenspiele
stattfinden, wobei “Anwälte” für Tierhaltung,
Besucherwünsche, Didaktik usw. eingesetzt werden.
Zuletzt wurde intensiv darüber diskutiert, ob Ansprüche
wie Artenschutz im Zoo der Zukunft überhaupt
realisierbar sind. Ein Konsens wurde freilich nicht
erzielt: Eine Seite, zu der ich mich zähle, hofft mit
vielleicht etwas zu viel Wunschdenken, daß sich
Wissenschaft, Artenschutz und Didaktik auch in
Konkurrenz zu Freizeit-Events und Erlebnisattraktionen
im Zoo halten und festigen können: Der Zoo der Zukunft
wird das Naturschutzzentrum sein. Mehr Realismus nehmen
die Vertreter jener Meinung für sich in Anspruch, die
Zoos würden nur überleben, wenn sie sich von solch heren
Grundsätzen trennen und den Marktinteressen folgen. Die
Wahrheit wird dazwischen liegen; schon heute gibt es
Zoos, die völlig verschiedene Wege einschlagen. Das
Thema wird noch Stoff für viele Tagungen liefern.
|
|
|
|
Weitere, eher spezielle Vorträge im Plenum
Frank Kirsten / Wolfgang Zessin: Die Schweriner
Methode der Bauprojektplanung und -realisierung:
Ideenfindungsseminare auch mit fachfremden Leuten.
Monika Fiby: Vorstellung der
Internet-Plattform für Zoo-Design ZooLex,
die auf Basis eines gemeinnützigen Vereins künftig mit
Unterstützung der Zooverbände eine Präsentier- und
Rechercheplattform für Gehege-Gestaltung sein soll.
Angelika Weidel: Gemeinschaftshaltung
von Surrikaten und Löwen im Zoo Schwerin: Klappt nach
Umbau und Verlegung von 60 m “Fluchttunneln” nun sehr
gut.
Christian Beck: Raumnutzung von
Kropfgazellen als Grundlage für neue Gehegeplanung in
Karlsruhe.
Urs Frohnes: Semifreilandhaltung von
Weißbüscheläffchen
Tom Becker: Der Masterplan des
Vivariums Darmstadt
Barbara Münchau: Der Masterplan des
Tierpark Siegelbach (künftig Naturzoo Kaiserslautern)
sowie viele weitere, die hier nicht einzeln
vorgestellt werden können - es gibt hoffentlich später
einen Tagungsband.
|
|
|
Website der Arbeitsgruppe Gansloßer:
www.zoobiology.de
(betreut durch Mitglieder der Zoo-AG)
|
|
|
|
|
|
|
|
Bericht 9. Workshop 2001
|
|
|