Zoo-AG



Anmerkungen


Dies ist eine Archivseite mit dem inhaltlichen Stand von 2004 und wird nicht aktualisiert. Sie zeigt den damaligen Stand der Zoos und bleibt als historisches Dokument online.

Exkursions-Bericht



Aquarium Wilhelmshaven
29. August 2004



Am 28. und 29.8.2004 führte eine Wochenend-Exkursion einige Mitglieder der Zoo-AG Bielefeld nach Norden  zum Besuch des neu eröffneten Zoo am Meer Bremerhaven, der ebenfalls erneuerten Aquarien in Oldenburg und Wilhelmshaven, dem Vida-Mini-Zoo in Huchting und einem erneuten Besuch im Zoo Jaderberg.



Bis 2000 war das Aquarium Wilhelmshaven Teil der renommierten Senckenberg-Gesellschaft und wurde wissenschaftlich betreut. Bausubstanz und Größe der Anlagen, vor allem für die Seehunde, entsprachen aber nicht mehr dem heutigen Stand. So wurde es mit Millionenaufwand umgebaut und wird nun privatwirtschaftlich betrieben. In höchsten Tönen lobende Zeitungsartikel und eher zurückhaltende Berichte von Kollegen machen uns doppelt neugierig.
Von der anderen Hafenseite aus wirkt das Aquarium nun deutlich größer, wenn auch nicht vergleichbar mit Aquariums-Neubauten in anderen großen Küstenstädten Europas.






Innen dann die ersten Enttäuschungen: Oben liegen Läden, Spielparadies und Restaurant, zum Aquarium geht es erstmal eine enge, steile Treppe hinab in die Katakomben. Begrüßt wird man dort durch einen kitschigen Leuchtfisch.
Der Keller wirkt nicht nur wie der WC-Trakt des Restaurants, sondern ist es auch. Erst durch ein Automatik-Drehtor geht es dort ins “richtige” Aquarium.
Zuerst kommen einige einfache Nordsee-Becken, wie es sie auch früher schon gab. Keineswegs modernste Technik, im Gegenteil: Statt heute üblicher Acrylscheiben (auch mit Wölbungen und anderen Einblick-Möglichkeiten), reihen sich hier nur wieder verhältnismäßig kleine Glasbecken, viele davon beschlagen. Am interessantesten sind noch die Ohrenquallen.



Nun kommt man durch einen Gang, in dem man einen ersten Einblick von unten in das Seehund-Becken hat. Nicht etwa aber durch einen der ansonsten so beliebten Tunnelgänge, auch hier sind es einfach nur rechteckige Scheiben. Vier wackelige Plastikstühle laden zum Verweilen ein.
Anschließend, im Bereich “Atlantik”, kommt man zum großen Riff-Becken. Selbst das Foto zeigt noch, was hier unter “Riff” verstanden wird: mit Spritzbeton notdüftig überzogene Beton-Röhren. Da die Scheibe nicht bis unten reicht, sieht man die Bodenfische kaum, und wenn, dann stark verzerrt.
Auf einer Tafel erfährt man, was es mit dem in einer Ecke des Beckens abgekippten Schutthaufen auf sich hat, der mit einer dicken Mulm- und Algendecke überzogen ist: Dies waren erst im April vom Zoll beschlagnahmte Lebende Steine als eine Dauerleihgabe. Unwahrscheinlich, daß dort etwas überlebt hat.








Nun kommt einer der wenigen Höhepunkte, zumindest für den Zoologen: Die Antarktis-Abteilung, mit (nach Aussage des Aquariums) den ersten in einem Schau-Aquarium gezeigten Tieren aus 400 m Tiefe, mitgebracht vom Forschungsschiff Polarstern im April 2004. Wenn man sich durch die Info-Tafeln arbeitet, erfährt man, daß es sich um Arktis(!?)dorsche und Asselspinnen (Foto) handelt.
Der “normale” Besucher dürfte sich aber eher wundern, daß die so beworbene Attraktion aus lediglich drei sehr kleinen Becken besteht, die nur gemeinsam und allgemein beschildert sind.



Gegenüber befinden sich Leuchttafeln mit Auszügen aus dem internationalen Antarktisvertrag und der Greepeace-Arktis-Kampagne: ganz eng meterweise beschriftet – das liest nun wirklich niemand. Das Foto zeigt die etwa 3x3 m große Wand (ein mehrfaches größer als die drei Becken)...

Hier verläßt man vorerst den Meeres-Bereich und gelangt zu einigen Terrarien mit Fröschen und Insekten sowie zum Südamerika-Flußbecken mit Kaimanen und “Sekond-Hand-Barschen” (laut Beschriftung).
Nebenan in der primitiven Beton-Tropfsteingrotte (bröckelt bereits) findet sich eine große Tafel über Blinde Höhlenfische – nur die Fische selbst fehlen, ein Aquarium gibt es in der ansonsten leeren Höhle nämlich nicht.

An dieser Stelle ein Wort zur Beschriftung: Die Tiere sind meist sehr einfach mit 1-2 Stichworten und etwas basalem Text beschriftet, dieser dann oft grammatikalisch höchst fragwürdig. Wesentlich schwerer als solche eher stilistischen Dinge wiegt aber das Inhaltliche. Fachliche Fehler sind das eine (nein, das Alexander-von-Humboldt-Museum liegt nicht in Wien!), aber manchmal wird es in einer Mischung aus Pseudowissenschaft und Naivität ganz abstrus. So verbreitet eine Reihe von Fototafeln






im Treppenhaus Erkenntnisse der besonderen Art - hier Zitate mitsamt der Fehler:
“30% der menschlichen DNA stimmt mit der DNA der Banane überein. Dies ist wichtig, können wir doch so die Banane als Nahrung nutzen. Gleichzeitig sollten wir dies auch in alle Überlegungen Nahrungsmittel zu Stylen mit einfließen lassen.“
“Die Nasenaffen von Borneo haben sich auf bestimmte Mangroven- und Sumpfbaumblätter spezialisiert. Andere Nahrung, wie Früchte, würde ihren Magen durch Gärung zum platzen bringen.”


„Passionsblumen ahmen auf ihren Blättern Eier von Schmetterlingen nach, damit Schmetterlinge dort keine ablegen. Denn zu viele Raupen, könnten bevor sie zum Schmetterling werden, verhungern.“ (Wie rücksichtsvoll von der Pflanze, daran zu denken! – hier wurde ein Argumentationsschritt übersprungen!)
Man kann noch nachvollziehen, welche Weisheiten auf Kalenderblatt-Niveau die Grundlage für die Texte waren. So aber wird es im besten Fall mißverständlich, meist aber irreführend.
Nebenbei erfährt man, daß eingemauerte Hornvogelweibchen sterben, wenn das Männchen ausbleibt, und “Kolibries” von Insekten leben und zur Fortpflanzung Mineralien benötigen.

Im oberen Teil des Gebäudes wurde die frühere Eingangshalle mit einem Leimbinder-Dach als Tropenhalle überbaut. Ganz abgesehen von den bekannten Problemen bei Holzträgern in Tropenhallen (erste Schwitzwasserspuren sind schon zu sehen), wurde im Dach einfach Sperrholz verarbeitet. Licht kommt nur über die Seitenwände, 2/3 der Halle sind kahler geklinkerter Besucherraum, und freilebende Tiere gibt es hier ohnehin nicht - lediglich die Kaimane tief unten, Beos in einer schwer vergitterten Voliere, und dazu noch eine vollverglaste Krallenaffenvitrine (stark spiegelnd) von 2 x 2,5 m ohne Außengehege. Unter Tropenhalle stellt man sich etwas anderes vor.




Einige letzte Aquarien widmen sich dem Thema Korallenriff. Für Schau-Aquarien eher klein, das weitaus Größte davon mit lebenden Korallen zeigt das Foto - und zugleich das Hauptproblem: Die Becken stehen im Tageslicht, stark spiegelnd mit schrägen Scheiben. Hier kann man kaum etwas sehen, und schon gar nicht lassen sich Tag- und Nachtrhythmus für die Tiere und vor allem die empfindlichen Korallen genau kontrollieren.

Der Höhepunkt des Rundganges soll wohl der Stegweg über das Seehundbecken hinweg sein. Der “Strand” aus braun lackiertem Beton bietet kaum eine geeignete Liegefläche, und für einen Neubau ist sowohl das Wasservolumen mäßig wie auch der Schaueffekt mißlungen. Die Idee war wohl, Seehunde vor der Kulisse des Jadebusens in einer Illusion aus unendlicher Meeresweite liegen zu sehen. Den Panorama-Effekt machen die Säulen und unnötigen Querbalken gründlich zunichte, und gegen die Sonne und das gleißende Meer sind die Seehunde ohnehin nur als schwarze Silhouetten zu erkennen.

Und in diesem Zusammenhang noch ein  unerfreuliches Zitat von der Seehund-Tafel:
„Seehund Peter [..] hatte das Jahr außerhalb von Wilhelmshaven im Süßwassergraben sehr schlecht überstanden. Schwach, eingefallen bis auf die Rippen und Augenfell-Entzündung ließen nicht mehr auf eine Genesung hoffen.” Diese öffentliche Kollegenschelte ist nicht nur unangebracht (und inhaltlich höchst zweifelhaft), sondern geht nach hinten los: Schließlich hatte man selbst die Tiere weggegeben, da man während des Umbaus keinen Platz fand. Und dann stattete man ihnen ein ganzes Jahr hindurch keinen Besuch ab?

Vor dem Ausgang noch ein letztes Ärgernis: zwei(!) Magellan-Pinguine dümpeln im braun gestrichenen Beton-Absperrbecken der Seehunde (weil da noch Platz war, wie freimütig auf einer Tafel mitgeteilt wird - was ist, wenn man dringend ein Absperrbecken benötigt?) Man hoffe sogar auf weitere Tiere für eine Zuchtgruppe, obwohl sowohl Platz wie auch alle Einrichtungen dafür fehlen (Nisthöhlen usw.). Und natürlich sieht man auch hier die Tiere nur im Gegenlicht vor dunklem Beton.

So könnte man noch ewig weiter lamentieren, doch das ist es einfach nicht wert. Bleibt anzumerken, daß vom Aquarium niemand für uns zu sprechen war.









Pinguinanlage

Für sage und schreibe 8 Euro Eintritt wird einem wesentlich weniger geboten als etwa zum gleichen Preis in den SeaLife-Centren, und erst recht im Vergleich zu “üblichen” Zoo-Aquarien. Selbst Behinderte zahlen (trotz Treppen) den vollen Eintritt.

Unsere Empfehlung: Mehr für’s Geld und seriöse Information gibt’s in den Zoos von Jaderberg und Bremerhaven. Und wenn es denn Fische sein sollen, bietet sich nicht nur bis zum Neubau des Bremerhavener Aquariums das Atlantikum im Fischereihafen an.




Zoo-Infos.de: Aquarium Wilhelmshaven




Weiter ging unsere Tour nach Bremerhaven




Erstellt am 30. 12. 2004




Anmerkung: Die Darstellungen und Meinungen im Bericht auf dieser Seite geben nicht zwingend die aller Zoo-AG-Mitglieder wieder.





© 2004 Fotos & Text: Dirk Petzold - zur  Zoo-AG Homepage logoeule Zoodatenbank zoo-infos.de